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Toronto Filmfestival....ein Interview
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GreatWhite
Geschrieben am: Thu, 29 September 2005, 12:56


Yakuza Kochclub Vorsitzender


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Zitat (Doppelklick zum übernehmen)
Unter der Ägide des passionierten Cineasten Piers Handling hat sich das Toronto International Film Festival zu einem der am professionellsten geführten und modernsten Filmfeste der Welt entwickelt. Mit Blickpunkt:Film sprach er über die Herausforderungen und Chancen, die sich für Toronto im Speziellen und Festivals im Allgemeinen in der Zukunft bieten.

Als Sie vor zwei Jahren den Bau des neuen Festivalcenters ankündigten, klang das noch wie ein aberwitziges Traumprojekt. Inzwischen sind zwei Drittel der Investitionssumme gesichert.
Das war in der Tat ein großes Projekt, aber ein realisierbarer Traum. Das schiere Ausmaß hat uns eingeschüchtert, fast 200 Mio. kanadische Dollar sind sehr viel, wenn das jährliche Budget nur zwölf Mio. beträgt. Ich wusste aber auch, dass das Festival im Lauf der Jahre so stark geworden ist, dass wir unsere Träume aggressiver angehen können. Wir haben unseren Vorstandsmitgliedern das British Filminstitute, das Filmhaus am Potsdamer Platz in Berlin und die Cinémathèque française in Paris gezeigt und ihnen damit unsere Vision vermittelt, seitdem unterstützen sie uns tatkräftig. Wir wussten, dass wir 25 Mio. von der Bundesregierung, weitere 25 von den Ländern bekommen können und haben auf einen Sponsor gehofft, der als künftiger Namensgeber 30 Mio. beisteuert, damit hatten wir bereits die Hälfte des Gesamtbudgets. Es war nicht leicht, aber ich war sicher, dass wir es schaffen.

Es klingt paradox, dass sich Film ausgerechnet in Nordamerika so leicht als Kunstform vermitteln lässt.
Nein, das ist schon eine europäische Domäne. In Nordamerika ist das ganz klar ein kommerzielles Unternehmen, das ist Massenmedium, Popkultur und Entertainment. Die Idee von Film als Kunstform ist hier viel schwerer zu kultivieren. Bei uns funktioniert das nur, weil wir das Modell auf den Kopf gestellt haben: Wir haben bewiesen, dass das Festival extrem erfolgreich sein kann und alle möglichen Vorteile bringt, nicht nur der Stadt, sondern auch dem Land und der kanadischen Filmindustrie. Das ist ein interessanter Mix von Kunst und Kommerz. Doch wir haben 25, 30 Jahre gebraucht, um unsere Ideen zu verwirklichen. Es ist keineswegs Philanthropie, sondern verbindet sich mit den Zielen der Stadtentwicklung, der Wirtschaft, des Tourismus. Ein Schlüsselerlebnis war die SARS-Krise 2003, die für die Stadt enorme finanzielle Verluste bedeutete. Drei Monate später hat das Festival die Stadt aus der Krise gezogen, plötzlich schauten alle auf Toronto, Regisseure und Stars stiegen ins Flugzeug, um hierher zu kommen. Keine andere Kraft hätte die Normalität so schnell wieder herstellen können.
"Käufer und Verkäufer schätzen die Vielfalt"
Im Laufe der Jahre wurde das Festival gerade für europäische Firmen immer interessanter, viele kommen inzwischen lieber nach Toronto als nach Venedig.
Ich liebe das europäische Kino. Es war uns von Anfang an sehr wichtig, im internationalen Kino ein Gegengewicht zu den amerikanischen Produktionen zu finden. Wir haben ihnen immer einen prominenten Platz eingeräumt und ihre Filmemacher und Stars entsprechend umworben, damit sie unser Festival besuchen. Inzwischen versammeln sich hier alle wichtigen Käufer, Verkäufer und Medien, um miteinander in Kontakt zu treten. Venedig ist im Vergleich ja ein sehr kleines Festival, mit etwa 60 Filmen, im Gegensatz zu rund 250 Spielfilmen bei uns. Käufer und Verkäufer schätzen diese Vielfalt, mit ihrem großen Potenzial für Entdeckungen, auch junger Filmemacher. Agenten kommen hierher, um neue Talente zu finden, Regisseure und Schauspieler, nicht nur aus Amerika, sondern aus der ganzen Welt begegnen sich. Produzenten präsentieren hier ihre Projekte. Die ganze Branche wird immer internationaler, sie öffnet sich nicht nur nach Europa, sondern auch nach Asien oder Lateinamerika. Wenn es gelingt, so eine Dynamik herzustellen, dann entsteht eine Infrastruktur, die das Festival zu einem der wichtigsten Treffpunkte für alle macht, die in der Branche arbeiten, zusammen mit Cannes.

Wie sehen Sie in der Zukunft das Verhältnis von Montréal und Toronto, das ja immer schwierig war?
Zuerst müssen sie dort die verwirrende Situation mit drei Festivals ordnen, dann sehen wir, was passiert. Es wäre sicher einfacher, wenn sie sich zeitlich von uns entfernen würden.

Die Tatsache, dass Sie im Gegensatz zu den europäischen A-Festivals keinen Wettbewerb haben, gibt Ihnen eine luxuriöse Freiheit bei der Programmierung. Können Sie sich vorstellen, das jemals zu ändern?
Die Tatsache, dass wir keinen Wettbewerb haben, ist die Voraussetzung für den Erfolg des Festivals. Das ist ein ganz anderes Modell als Venedig, Cannes und Berlin. Unter keinen Umständen möchte ich ein Wettbewerbsfestival leiten. In Toronto geht es vor allem um das Publikum und um den Austausch zwischen Zuschauern und Filmemachern, eine Jury unterbindet diesen Prozess. Da geht es nur noch um die Verbindung zwischen diesen zehn Leuten und den Filmen, alles dreht sich nur um sie und die Preise.

Es war Ihnen immer wichtig, die Kräfte des Festivals über die zehn Tage hinaus zu nutzen. Gibt es in dieser Richtung neue Pläne?
Vor zehn Jahren haben wir damit begonnen, eine Reihe der Filme nach dem Festival quer durch Kanada reisen zu lassen, in einem Netzwerk von 170 Orten, die aus unserem Angebot auswählen. Wir stellen lediglich die Verbindungen her, machen Arrangements mit den Produzenten für eine oder auch fünf weitere Kopien, die dann zirkulieren. Das wollen wir jetzt auch international ausweiten, in 20 Ländern weltweit, in denen wir kanadische Filme, Low-Budget- und Independent-Filme in Umlauf bringen. Wir wollen das Material, das wir hier für zehn Tage in der Stadt haben, darüber hinaus nutzen. Die Festivals müssen zu einem Teil der Industrie werden, wir haben eine Verantwortung, die Filmkultur auch darüber hinaus zu verbreiten.

Wie wird die Übergabe an Noah Cowan aussehen, und wie stark werden Sie in Zukunft noch ins Festival involviert sein?
Wir haben vereinbart, insgesamt drei Jahre als Ko-Direktoren zu agieren, was sehr gut läuft, wir sind ja auch eng befreundet. Ich möchte unbedingt weiterhin involviert sein und auch das Programm mitgestalten, ich liebe diesen Teil des Jobs und möchte ihn niemals aufgeben. Aber es ist nicht möglich, dem Festival die nötige Aufmerksamkeit zu geben und mich gleichzeitig um das Festivalcenter und alle damit verbundenen Aktivitäten im Lauf des Jahres zu kümmern. Das Festival allein hat sich zu einem so riesigen Event entwickelt, dass es nicht mehr von einer einzigen Person geführt werden kann. Langfristig wird er der kreative Kopf des Ereignisses werden. Wie genau das in Zukunft aussehen wird, werden wir nach dem Festival ausarbeiten.

Was wird unter seiner Leitung anders?
Im Gegensatz zu mir ist er wahrscheinlich ein wenig mehr industrieorientiert. Er hat diesen Bereich bereits in Sales Office und Industry Initiative geteilt, wodurch mehr Klarheit entstehen wird. Ein wichtiges Anliegen ist es, insbesondere kanadische Filmemacher über die zehn Tage des Talentlabs hinaus zu unterstützen und ihnen auch danach als Mentor zur Seite stehen. Ansonsten wird sich nicht viel verändern. Noah Cowan war vor einigen Jahren als mein Assistent bereits sehr stark ins Festival involviert, über unsere Mission sind wir uns absolut einig. Er möchte beispielsweise eine Jury für das Visions-Programm ins Leben rufen und wird wohl ein stärkeres Interesse auf die experimentelleren Formen der bewegten Bilder richten, wie Videoinstallationen.

In diesem Festivaljahrgang ist der Prozentsatz der Filme, die sich auf die Realität beziehen sehr hoch. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Es gibt sehr viele Filme, die sich ganz speziell mit der Post-9/11-Realität befassen. Aber das ist auch in anderen Teilen der Welt spürbar, die von den Anschlägen überhaupt nicht berührt waren, wie beispielsweise Asien. Viele Länder haben es mit massiven sozialen Unruhen und Veränderungen zu tun, wie beispielsweise China und Indien mit ihren riesigen Bevölkerungen. Dort reflektieren die Filme ein Klima der Angst und Unsicherheit, das auf seltsame Weise mit den Schwierigkeiten korrespondiert, die Europa und Amerika im Moment erleben, das ist globale Unsicherheit über die Zukunft. Das hat in den letzten fünf bis zehn Jahren auch dazu geführt, dass die Dokumentarfilme immer wichtiger wurden. Das Action-Fantasy-Mainstream-Kino ist so unrealistisch geworden, dass sich die Leute nach etwas sehnen, das mit ihrem Leben zu tun hat. Es gibt da ein großes Interesse, geradezu einen Hunger auf die reale Welt. Als Gegengewicht zu den Fantasy-Welten spielen plötzlich wieder Filme eine Rolle, die entweder die soziale Realität der Menschen spiegeln oder eine Sehnsucht nach der Natur befriedigen. Damit lässt sich auch der ungeheure Erfolg von "Die Reise der Pinguine" erklären.

Quelle: Blickpunkt:Film




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