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MBL Board > Gevatter Tod hat geholt > Hans Dietrich Genscher


Geschrieben von: Heby am Fri, 01 April 2016, 16:58
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Hans-Dietrich Genscher (89) ist tot
Sie nannten ihn Genschman

Einer der größten Politiker der deutschen, ja der europäischen Nachkriegspolitik ist tot: Hans-Dietrich Genscher ist in der Nacht zu Freitag im Alter von 89 Jahren an Herz-Kreislauf-Versagen in seiner Wahlheimat Wachtberg bei Bonn gestorben. Genscher war seit längerem schwer krank, zuletzt ans Bett gefesselt. Er war zwei Mal verheiratet und Vater einer Tochter.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte ihn am Freitag: „In Hans-Dietrich Genscher verlieren wir eine herausragende Persönlichkeit in der Geschichte unseres Landes. Genscher hat Großes geleistet, er hat die Geschichte unseres Landes in unruhigen Jahrzehnten mitgestaltet und geprägt. Wir werden ihn nicht vergessen und gedenken seiner in tiefer Dankbarkeit.“

Genscher war DER deutsche Außenminister schlechthin. Er war immer unterwegs. Er war Genschman – der Superpolitiker!

Genscher stand für Europa. Genscher schrieb Weltgeschichte. Er war neben Willy Brandt (1913-1992) und Helmut Schmidt (1918-2015) und schließlich Helmut Kohl (85) einer der ganz wenigen Politiker, die in Ost- und Westdeutschland, auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs höchstes Vertrauen im Volk genossen. Er war einer der ganz wenigen, denen auch die Spitzen in Moskau und Ost-Berlin zuhörten. Er hatte einen besonderen Draht zu ihnen – der Mann aus Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt).

1952 verließ er Halle, „machte rüber“ in den Westen. Und war sich sicher: „Es würde nicht ein Abschied für immer sein.“ Je tiefer die deutsche Spaltung wurde, schrieb er einmal, „umso mehr bewegte mich der Gedanke: Was muss geschehen, damit alle Deutschen zusammen und in Freiheit leben können?“

Von den drei Kanzlern, denen er diente, ist nur noch einer da: Helmut Kohl (85). Der Mann, den Genscher mit zum Kanzler machte, als er 1982 Helmut Schmidt das Vertrauen entzog und der CDU den Weg freimachte für eine christlich-liberale Koalition. Der Mann, mit dem er das Land in geschickten Verhandlungen in Moskau, Washington, Paris und London in die Einheit führte, aus BRD und DDR wieder ein Deutschland schmiedete.

Doch da hatte Genscher, der von 1974 bis 1985 FDP-Chef war, schon lange im Zentrum der Geschichte gestanden: 1969 war er wesentlich an der Bildung der ersten sozial-liberalen Koalition aus SPD und FDP beteiligt. Unter Kanzler Willy Brandt wurde er Innenminister – in der Zeit, als palästinensische Terroristen in München 1972 das Olympia-Attentat auf israelische Sportler verübten.

1974 bis 1992 wurde der Mann mit dem gelben Pullunder und den großen Ohren schließlich das, was er für die Deutschen auf ewig sein wird: ihr Außenminister und Vizekanzler.

In seine Amtszeiten fielen die neue Ostpolitik der SPD-FDP-Regierung unter Kanzler Willy Brandt, der Nato-Doppelbeschluss unter Kanzler Helmut Schmidt, die „geistig-moralische Wende“ unter Helmut Kohl.

Und schließlich die Krönung seines Politiker-Lebens: Die friedliche Revolution in der DDR 1989 und die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Genscher spricht den Halbsatz seines Lebens, als er den in der deutschen Botschaft in Prag ausharrenden DDR-Bürgern die Erfüllung ihres Traumes verkündet: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“ Der Rest war Jubel, Schreien, Weinen. Erst Jahre später sagte Genscher, wie der Satz weiterging: „... möglich geworden ist.“

Genscher hatte Humor! Und er ertrug, mochte und genoss es, wenn er zum Gegenstand von Humor wurde. Er hatte etwas sehr Seltenes: Selbstironie. Er konnte über sich lachen. Das liebten die Deutschen. Und sie lachten gern mit und über ihn.

Ob über die Genscher-Parodie „Genschman“ (Titanic) oder den Genscher-Witz schlechthin: „Treffen sich zwei Flugzeuge, in beiden sitzt Genscher.“ Der Witz spielt auf die Reiselust des Außenministers an, der manchmal irgendwie an allen Orten der Welt zugleich zu sein schien.

Nur den Machthabern in Ost-Berlin passte Genscher lange nicht. Sie sahen ihn als Staatsfeind. Die Stasi legte eine Akte über ihn an, in der sie ihn als Informanten führte. Tatsächlich hatte er diese Kontakte nie. Die Akte, die in den 80er-Jahren vernichtet wurde, sollte dazu genutzt werden, Genscher zu diskreditieren.

Zu seinem 85. Geburtstag gratulierte ihm sein Freund und Wegbegleiter in den Geschichtsbüchern, Friedensnobelpreisträger Michael Gorbatschow: „Du hast die Welt verändert.“ So war es. So war er.


Quelle:Bild.de

einer der letzten großen
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Geschrieben von: Sidschei am Fri, 01 April 2016, 17:27
Mei Mei Mei. Dieses Jahr ist ist es aber echt sehr, sehr heftig sad.gif

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