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Zwei ungleiche Schwestern: Interviews
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Sidschei
Geschrieben am: Mon, 26 September 2005, 08:10


King of Bollywood alias MacGyver-Sid alias Bill Murray von MBL


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Interviews rund um den Film: "Zwei ungleiche Schwestern":

1) Regisseurin "Alexandra Leclère"

Was war Ihr Beweggrund, diesen Film zu machen?
Film hat mich schon immer fasziniert. Wie viele Mädchen wollte ich unbedingt Schauspielerin werden. Ich habe dann wahllos alles gemacht, was mir angeboten wurde, aber ich fühlte mich nicht wohl - vor der Kamera. Es hat gedauert, bis ich herausgefunden habe, was ich gerne machen will und wobei ich glücklich bin. Vor fünf Jahren wurde mir klar, dass ich wirklich Lust zum Schreiben und an der Regie habe.
Schreiben macht mir Spaß, damit fängt alles an. Mich interessieren Menschen und ihre Gefühle. Ich glaube, ich könnte eine Geschichte nicht einfach so erfinden. Ich mag Reales, das Folgen hat und verknüpft ist.
Ich habe immer sehr viel beobachtet und jetzt war es für mich an der Zeit das Gesehene zu verarbeiten. Das Schreiben eines Drehbuchs und die anschließenden Dreharbeiten sind für mich das ideale Ausdrucksmittel.

Ihre Biografie ist untypisch, erzählen Sie uns was von sich?
Meine Kindheit habe ich in keiner guten Erinnerung. Mein Vater war beim Militär und wir mussten alle paar Jahre umziehen. So bin ich eigentlich nirgends verwurzelt. Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, lebte ich bei meiner Mutter in Rennes. Von da bin ich ausgerissen, mit siebzehn - ich bin aus dem Fenster gesprungen und weg! Ich hatte fünfhundert Francs in der Tasche und nahm den Zug nach Paris - ich kannte die Stadt überhaupt nicht. Ich ging auf die Champs-Elysées und trank einen Champagner auf meine Ankunft. Dabei traf eine Frau, die mich in eine damals sehr angesagten Disco, ins "Elysée Matignon", mitnahm. Ein Mann machte uns die Tür auf - und ich lebte anschließend mit ihm sieben Jahre zusammen...

Wie haben sie sich auf den Film vorbereitet? Welche persönlichen Erfahrungen sind in den Film eingeflossen?
Ich habe schon immer viel geschrieben, einfach um nichts zu vergessen. Mein erstes Drehbuch war eine Art Test.
Ich kannte niemanden in der Branche und so kam ich nicht weiter. Keiner nahm sich die Zeit, um mein Buch zu lesen. Ich habe mich dann zusammengerissen und einen fünfminütigen Kurzfilm realisiert, "Bouche á Bouche" (Mund zu Mund). Ein Gespräch zwischen zwei Schwestern, da fing es an...
Louise stammt aus einer Kleinstadt und klopft eines Tages bei ihrer Schwester Martine, einer viel beschäftigten Großstädterin an, um von ihrem Glück zu erzählen. Dadurch zerfällt Martine Stück für Stück, sie löst sich regelrecht auf. Das funktioniert nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren: während die eine vor Freude überläuft, leert sich die andere aus, bis sie völlig ausgetrocknet ist. Das Glück der einen führt zum Unglück der anderen. Am Ende merkt Louise jedoch, wie sehr ihre Schwester leidet und sie tut so, als ob ihrer Erfolgsgeschichte eine Lüge sei - und der Schwester geht es daraufhin sofort besser... das ist der Kern von "Zwei ungleiche Schwestern".
Nach diesem ersten Film fühlte ich mich endlich an meinem Platz und ich war fest entschlossen weiterzumachen. Die Lust einen Spielfilm zu machen, war natürlich sofort da!

Der autobiografische Anteil in ihren Film ist nicht unerheblich, können sie uns konkrete Anknüpfungspunkte nennen?
Alle meine Figuren haben etwas von mir. LS ist auch ein bisschen meine Geschichte: ich habe eine zwei Jahre ältere Schwester, die nichts mit mir zu tun haben will - und das jetzt schon seit fünf Jahren...
Ich mache mich gerne über Dinge lustig, die mich eigentlich verletzen... und genau wie Louise bin ich jahrelang auf dem Weg zur Schule einem Mann begegnet. Und eines Tages, als ich es nicht mehr ausgehalten habe, habe ich ihn angesprochen...
Ich habe sechs Monate an dem Drehbuch von "Zwei ungleiche Schwestern" geschrieben. Der autobiografische Teil ist wichtig, ich hatte kein Problem mit dem Thema, denn ich trage es ja mit mir rum...

Wie ist es ihnen gelungen diese zwei bekannten Schauspielerinnen für das Projekt zu gewinnen?
Ich habe für Isabelle Huppert und für Catherine Frot geschrieben. Für mich lag es auf der Hand, diese Rollen mit diesen Schauspielerinnen zu besetzen. Dominique Besnehard hat mein erster Kurzfilm gefallen. Also habe ich ihm auch die erste Fassung meines neuen Drehbuchs geschickt. Danach wurde er mein Agent. Ich habe mit Jean-François Gabard, dem Agenten von Catherine Frot gesprochen. Das war entscheidend. Ihm gefiel unser Treffen, und er versprach mir, das Drehbuch zu lesen und es an Catherine weiterzugeben. Danach habe ich zwei Monate lang nichts von ihm gehört...
In der Zwischenzeit hatte ich Isabelle Huppert mein Drehbuch gezeigt. Ich bin ihr oft auf dem Weg zu einer Schule begegnet, aber ich hatte sie nie angesprochen. Sie war überrascht, ging dann aber auf meine Bitte ein.
Anschließend, während der Filmfestspiele in Cannes 2003, ist es mir wie Louise ergangen, als ich mit meinen Drehbüchern in der Tasche rumlief. Dieser Film war mir inzwischen eine Herzensangelegenheit geworden - meine Chance glücklich zu werden!
Auf der Croisette traf ich Jean-François Gabard, der mir sagte, dass Catherine Frot das Drehbuch gefallen habe, und dass sie mich treffen möchte. Ich bin am nächsten Morgen zurück nach Paris. Catherine hat mir dann versichert, dass sie sehr gerne in meinem Film mitspielen wolle. Sie schenkte mir Vertrauen und das war das Argument, das mir weiterhalf.
Ich habe dann einige Produzenten getroffen, von denen mir Philippe Godeau auf Anhieb gefiel. Er ist ernst und ehrlich. Er war begeistert von dem Drehbuch. Ich war sicher, dass mir mit seiner Unterstützung der Film gelingen würde, so oder so...
Isabelle Huppert brauchte Zeit, um sich zu entscheiden. Ich schrieb die Figur von Martine noch etwas um, und war fest überzeugt, dass sie daraufhin die Rolle akzeptieren würde...
Nachdem sie zugesagt hatte, ging alles sehr schnell.

Wie haben sie die Schauspieler für die anderen Rollen gefunden?
Für den "Pierre" suchte ich einen gestandenen Mann, dem man ansieht, dass er "angekommen" ist. Da kam ich ziemlich schnell auf François Berléand. Brigitte Catillon stand auch schnell fest, denn ich bin ein Fan von ihr. Und Michel Vuillermoz habe ich in einem Theaterstück gesehen und da fand ich ihn phänomenal!

Wie haben Sie diese erste große Regiearbeit in Erinnerung?
Als die eines ganz großen Glücks! Ich wurde ja buchstäblich getragen von dem Vertrauen meines Produzenten und meines unglaublich tollen Teams. Jeden Abend feilte ich an den Dialogen für den nächsten Drehtag. Ich lege großen Wert auf Details. Improvisieren lehne ich ab. Wenn sich dann ein Wort ändert, dann leide ich - wirklich. Ich war völlig absorbiert. Ich wusste genau, was ich wollte, ich hatte keine Angst und jetzt gibt es diesen Film, der meiner ursprünglichen Idee sehr nahe kommt.



2) "Isabelle Huppert"

Wie kam es zu Ihrer Mitarbeit an "Zwei ungleiche Schwestern"?
Auf eine banale aber auch originelle Art: ich traf Alexandra vor der Schule meines Sohnes. Eine gemeinsame Freundin hat dabei vermittelt und mir gesagt, dass Alexandra mir ihr Drehbuch zeigen möchte. Ich kannte sie überhaupt nicht, und war erstmal überrascht. Dominique Besnehard wurde dann ihr Agent, er glaubte an die Story und bestand darauf, dass ich das Drehbuch lese.

Und wie war ihr erster Eindruck?
Alexandra sagte mir, dass sie die Rolle der Martine für mich geschrieben hätte und dass sie deswegen so hartnäckig sei. Aber schon während der ersten Lektüre hatte ich das Gefühl, dass die Figur lebt und stimmig ist. Aber sie musste trotzdem noch weiter ausgearbeitet werden - es war ja ein erstes Drehbuch für einen ersten Spielfilm, aber ein Ton war getroffen!
Es beginnt fast wie eine Komödie und dann dringt man allmählich in tiefere, ernstere Regionen. Diese Entwicklung war gelungen. Schließlich geht es um Themen wie Familie, Zusammengehörigkeit, Ehe. Diese Mischung und die Stimmungswechsel, als eine Art Balance über dem Abgrund, ziehen den Zuschauer in ihren Bann. Das Drehbuch thematisiert auch Wahlmöglichkeiten, die man im Leben hat. Es streift den Gegensatz von Stadt und Land, mit allen Vorurteilen, die in einem so zentralisieren Land wie Frankreich hierüber existieren. Paris verbindet man automatisch mit Erfolg, mit Geschmack, mit Äußerlichkeit, aber auch mit Entfremdung... Martine verfügt über alle Zeichen des Erfolgs: sie hat Geld, ist elegant gekleidet, wohnt in einer große Wohnung - doch sie konnte sich nie verwirklichen und durch den Kontakt mit ihrer Schwester wird ihr das schnell und schmerzhaft bewusst. Martine sieht, dass Louise, die Unscheinbare, auf dem besten Weg ist, etwas zu erreichen. Die beiden sind füreinander wie Spiegel, aber die Karten werden auch schnell gemischt. Louise ist nett, aber sie auch anstrengend und nervig. Bei Martine überdeckt eine Aggressivität ihre Zerbrechlichkeit, denn etwas in ihr wurde zerstört. Und so verkehren sich Stück für Stück die Beziehungen und die Rollen.

Haben sie schon vor Beginn der Dreharbeiten diese Entwicklung erkannt oder wurde das erst im Verlauf des Drehs deutlich?
Das war natürlich schon im Drehbuch angelegt, aber ich habe es erst während der Arbeit konkretisiert. Zu Beginn hatte ich eine eher eine vage Vorstellung, wie ich Martine darstellen könnte, aber durch mein Spiel und durch das Zusammenspiel mit Catherine bekam die Figur schärfere Konturen. Mir machte das Spiel täglich mehr Spaß, denn es haben sich immer neue Möglichkeiten eröffnet.

Beschreiben Sie Martine für uns?
Man merkt ziemlich schnell, dass sie hinter ihrer Maske ziellos ist. Sie gehört zur gehobenen Mittelschicht und hängt völlig von ihrem Mann ab. Irgendwann möchte sie dann arbeiten, um Autonomie zu erlangen. Das gab mir die Möglichkeit sie Szene für Szene bloß zu stellen. Man sieht sie aus unterschiedlichen Perspektiven: anfangs ist sie sehr eingebildet, doch als Louise von ihrem Abenteuer erzählt nagen Selbstzweifel an ihr. Schließlich bricht sie aus Verzweifelung, aus Missgunst und Neid zusammen... Zu Beginn hat sie eigentlich keinen Grund zur Eifersucht. Aber Louise verströmt ihr Glück derart exzessiv, dass der Ausbruch von Martine durchaus plausibel ist. Ihre Eifersuchtsattacke kommt überraschend, die Eifersucht hat sie regelrecht "angesprungen". Zuerst war auch nicht zu erkennen, wer von den beiden "die Neidische" werden würde. Martine gehört immerhin zur Pariser Mittelklasse und ihre Schwester ist bloß Kosmetikerin aus der Provinz. Sie ist mürrisch, als ihre Schwester bei ihr übernachten will, denn sie schämt sich ihretwegen.
Mir gefällt die Szene, als Martine ihre Freundin (gespielt von Brigitte Catillon) um Arbeit bittet, dadurch macht sie sich sehr verletzlich. Ihr Charakter hat viele Facetten: die Härte im Umgang mit der Schwester und ihre inneren Kämpfe, als ihr Leben entgleist.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Catherine Frot?
Catherine liebt Proben - ich nicht. Damit mussten wir klar kommen. Wir haben einen völlig unterschiedlichen Arbeitsstil. Und das war nur eine der Sachen, die uns unterscheidet und mit der wir uns arrangieren mussten, aber das hat, da bin ich mir sicher, dem Film genutzt. Für einige Szenen (hauptsächlich bei den langen Einstellungen) mussten wir sehr präzise sein und wir haben hart gearbeitet, um uns dann davon frei zu machen.

Hat sie die Figur der Martine vielleicht auch psychisch beeinflusst? Dadurch, dass sie in ihr Universum eintauchen mussten?
Nein. Aber das was man spielt, verbirgt sich in einem und wird zu einer Art "Mieter". Das hindert mich aber nicht, meinen täglichen Verpflichtungen nachzugehen, "Die Andere" und ich, wir arrangieren uns.

Einige der Szenen verlangen viel Einfühlungsvermögen. Wie machen sie das?
Jede Figur hat ein "Außen" und ein "Innen". Man könnte jetzt einen Film wie eine Perlenkette konstruieren, indem man die Perlen aneinanderreiht und sich in keinen Prozess begibt. Aber wenn man die Sache ernsthafter betreibt, dann ist da immer auch ein existentielles Abenteuer. Jede Filmstory hat Bereiche die die eigene Geschichte berühren - auf ganz unterschiedlichen Niveaus. Daraus nehme ich meinen Antrieb - persönlich muss mich das aber nicht unbedingt weiterbringen.

Welchen Stellenwert hat der Film für ihre Karriere?
Dafür ist es noch zu früh, das kann ich noch nicht sagen. Mir gefällt der Film und das, was ich gemacht habe. Aber trotzdem kommt es natürlich auch darauf an, ob der Film funktioniert und beim Publikum ankommt. Einen Film kann man nicht isoliert betrachten, er hängt immer davon ab, was das Publikum daraus macht. Die Macher hängen natürlich an ihrem Film, aber ihre Einstellung kann sich ändern, je nachdem, ob es ein Erfolg oder ein Reinfall wird.

Wie hat Alexandra Regie geführt?
Ich hatte mich bereit erklärt, den Film zu machen, aber eins habe ich dabei nie vergessen: dass es eine erste Spielfilmregie war. Das hat Vor- und Nachteile.
Die Nachteile hatten sich schnell erledigt. Da Alexandra mit viel Talent eine Geschichte erzählt, die ihr sehr vertraut war, merkte man nicht, dass es ihr Début war. Alexandra war sicher und hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Michel Amathieu, dem Kameramann etabliert. Sie hat nicht gezögert, sie wusste was sie wollte. Manchmal war sie sich allerdings ihrer Sache so sicher, dass sie blockiert war. Sie hat dann aber schnell begriffen, dass die Zusammenarbeit mit Schauspielern auch bereichernd sein kann, und hat sich von uns überraschen lassen. Bald herrschte gegenseitiges Vertrauen - das war sehr angenehm.
Alexandra hat die Auflösung der Szenen genau geplant und sie wusste genau, wo die Kamera stehen sollte. Ihr Stil ist direkt und genau. Es gibt keine überflüssigen Szenen. Ihre Professionalisierung während der Dreharbeiten habe ich mit viel Anteilnahme beobachtet. Dadurch wurde mir auch Grundsätzliches zum Kino klarer: was Kino eigentlich ist, wie es gemacht wird, welche Rolle Erfahrung spielt. Wieso kann jemand der keine Ausbildung und wenig Erfahrung hat, einen so schönen Film machen? Kino lässt das zu.
Alexandra hat einfach Talent. Sie mag besondere Energie- und Ausdauerreserven haben, weil sie neu ist und sich noch nicht auskennt. Vielleicht hatte sie deshalb auch keine Angst? Und doch, solch ein Film-Abenteuer gelingt nur, wenn die Beziehung zwischen Produzent und Regisseur stimmt. Philippe Godeau hatte großes Interesse an dem Projekt und seine Anwesenheit war sehr wichtig. Er hat Alexandra unterstützt.


Sie sprachen von dem Spaß, den Ihnen das Spielen der Figur bereitete. Denken sie dabei an eine bestimmte Szene?
LS wirft einen ziemlich brutalen Blick auf die Beziehungen von Frauen untereinander und auf ihre Beziehungen mit Männern. Dadurch gibt es viele starke Momente. Die Liebeszene oder vielmehr die "Entliebungszene" zwischen Martine und Pierre ist hart, aber auch mitreißend. Es ist eine schöne Szene, brutal und opak. Dann gefällt mir noch eine andere Szene: Martine und Louise sind in der Oper. Jede stellt ihre eigene Beziehung zur Musik her: bei der einen totale Empathie, bei der anderen ein völliger Rückzug von der Außenwelt. Dieser Moment gefällt mir sehr: es scheint wie eine feste Einstellung, aber in Wirklichkeit schwenkt die Kamera von der einen zur anderen. Die beiden Schwestern werden hier auf sich selbst zurückgeworfen, und die die Musik ist der Auslöser - das ist herrlich!

In der Szene vor dem Fernseher, als die "Die Mädchen von Rochefort" laufen, spürt man einen Einklang zwischen Ihnen und Catherine...
Das stimmt, es ist ja eigentlich auch der einzige Moment des Films, wo sich die Schwestern nahe sind. Und das nur für diesen kurzen Moment. Ihre gemeinsamen Kindheitserinnerungen führen zu dieser einzigen, wirklichen Verbindung.

Wie war die Zusammenarbeit mit François Berléand?
Wir kennen uns schon sehr lange. Ich habe mit ihm schon in "Die Schule des Begehrens" zusammen gearbeitet. Es was schön, wieder einmal miteinander zu drehen. Pierre, seine Figur, ist kein Macho, aber er sieht Martine nicht so, wie es gerne hätte. Ihn trifft keine Schuld. Es sind die Verhältnisse, nicht die Personen. Klar, jetzt kann man einwenden, dass sich die Figuren ja freiwillig da hinein begeben, aber Alexandra hat Abstand zu ihren Figuren gehalten, um sie aus einer objektiveren Perspektive zu zeigen. Man lebt zusammen, man macht ein Kind, man findet sich in Mustern und Strukturen wieder, die einem dann bestimmte Verhaltensweisen aufzwingen. Sophie, die Nachbarin, ist auch in einer schwierigen Lage, mit ihrem Voyeur-Mann. Der Film zeigt nicht gerade erfüllten Sex.

Waren einige Szenen für sie schwieriger oder wichtiger?
Nein. Zum Beispiel die Szene mit der Ohrfeige am Ausgang der Galerie, das war eine lange Einstellung mit Text. Die Fahrt davor war notwendig, damit die Ohrfeige mit der nötigen Gewalt und Spannung kommt. Vom Standpunkt der Technik aus, sind die Bewegungsszenen immer schwierig, sie müssen glaubwürdig sein und im Gegensatz zu den Szenen wo Gefühle vorherrschen, muss man hier ziemlich tricksen.

Mit Blick auf Martine und Louise stellen sich auch Fragen über das Leben. Glauben sie, dass eine gewisse Naivität hilft, glücklich zu sein?
Das hört sich an wie eine Frage für einen Aufsatz in Ethik! Aber ich liebe Sujets, die einem die Untiefen aufzeigen.
Ja, vielleicht ein bisschen. Wenn man naiv ist, ist man vielleicht weniger oft und nicht abgrundtief unglücklich. Aber vielleicht kann man sich dann auch nicht so stark freuen? Alles ist dann wohl eher seicht. Wenn man sich der Dinge bewusst ist, gibt es vielleicht eher übersprudelnde Freude und auch wirklichen, tiefen Schmerz. Es könnte kontrastreicher sein.

In dem Ensemble der Frauen wussten sie da, welchen Platz Martine einnehmen würde?
Sie sind alle gut platziert, aber einige haben natürlich die Chance auf ein größeres Spektrum der Darstellung. Martine gehört natürlich dazu. Es ist eine geniale Rolle. Alexandra hat alles genommen was ich gegeben habe - fast alles. Man muss auch noch was für die anderen übrig lassen - denn wenn alles gesagt ist, dann gibt es nichts mehr zu sagen...


3) "Catherine Frot"

Wie haben Sie von dem Projekt erfahren?
Mein Agent schickte mir das Drehbuch. Mir stach sofort der Gegensatz der beiden Schwestern ins Auge - so als lebten sie in zwei verschiedenen Welten, verbunden einzig durch ihre Kindheit - durch sonst nichts.
Ein Treffen mit Alexandra Leclère gab dann den Ausschlag, und die Aussicht, die Schwester von Isabelle Huppert zu spielen, natürlich auch.

Was gefällt Ihnen an der Rolle der Louise?
Mir gefiel die komödiantische Seite des Films. Louise liegt ständig daneben. Sie trinkt einen Kakao und hat danach einen Schokoladen Schnauz und sie kleidet sich unmodisch, das macht sie besonders unkompatibel. Sie lebt überhaupt nicht in der Realität. Sie sieht das Böse nicht, oder will es nicht sehen. Sie glaubt, sie könnte ihre Schwester dazu bringen, sie zu bewundern. Nachdem sie sich drei Jahre nicht gesehen haben und auch sonst nur wenig Kontakt hatten, steigt sie einfach in Paris aus und benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen. Louise glaubt, ihre Schwester sei glücklich und stünde weit besser da als sie. Aber während sie geradezu rücksichtslos ihre Lebensfreude versprüht, wird ihre Oberflächlichkeit und ihre nervende, rücksichtslose Art immer deutlicher. Sie hinterlässt Spuren in den Pariser Kreisen, die im Film beschrieben werden: je unsicherer sie ist, je mehr.
Die Entwicklung der Figur macht sie zudem glaubwürdiger. Der Zuschauer lernt Louise immer besser kennen und muss feststellen, dass er sie anfangs falsch eingeschätzt hatte.

Fühlen Sie sich der Figur nahe?
Teils. Klar, mir passiert schon mal, dass ich neben den Dingen oder meinen Mitmenschen stehe, dann fühle ich mich irgendwie nicht "geerdet". Dann lache ich schon mal über mich selbst, aber dabei entsteht auch ein Gefühl von Einsamkeit. Das hat Louise auch, indem sie versucht alles ins Positive zu drehen. Das ist wie eine Flucht nach vorn - das kann ich gut verstehen und nachvollziehen.

Glauben Sie, sie sind allen Geheimnissen von Louise auf die Spur gekommen?
Nein, nicht wirklich. Viele Fragen bleiben offen. Louise glaubt an eine Versöhnung mir der Mutter. Martine hat mir ihr gebrochen. Wer hat Recht? Welche Entscheidungen muss man treffen, um sich weiterzuentwickeln?
Im Film geht es auch um die Frage des Erfolgs. Wann ist man erfolgreich? Wenn man einen ersten Roman veröffentlicht? Wie Louise? Wenn man so tut, als ob wie Martine? Wenn man wie Martine eine Fassade lebt?

Wie war die Zusammenarbeit mit Alexandra?
Es ist schon aufregend eine Figur in einer Geschichte zu spielen, mit der sich die Regisseurin so stark identifiziert. Alexandra versucht die Extreme zu verbinden: eine Burleske mit einer Tragödie, Leichtigkeit und Tiefgang. Das macht den Film so kontrastreich aber auch gewagt.

Louise sprüht von Energie und Vitalität. "Färben" sie die Figuren dahingehend oder war das genauso im Drehbuch angelegt?
Beides. Jede Rolle inspiriert mich zu meiner Darstellung. Jeder Film ist anders. Es ist natürlich eine Arbeit in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Und man weiß nicht immer von Anfang an in welche Richtung sich die Figur entwickelt...

Welche Szenen stellen für Sie größte Herausforderung dar?
Ich liebe diesen Monolog von Louise während des Dinners. Hier offenbart sich die ungeheuere Lebenskraft der Figur und ihre unbewusste Respektlosigkeit. Ungebremst erzählt Louise ihre sehr intime Geschichte und blüht dabei zusehends auf, während Martine vor Scham versinkt.

Wie haben Sie sich der Szene mit François Berléand genähert?
Für mich ist das eine tragisch-komische Szene: Schweigen und Starre bei Louise, die die Verzweiflung von Pierre überhaupt nicht versteht. In diesem Film wird Sexualität ziemlich roh dargestellt. Davon ist Louise meilenweit entfernt. Ihre Beziehungen sind einfacher, direkter. Ihre Sexualität gründet auf Liebe und Begehren, während die von Martine und Pierre auf Vernunft und gesellschaftlicher Konvention basiert.


© und Quelle: "Arsenal Filmverleih"

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