Zitat (Doppelklick zum übernehmen) | DRM Musik mit Ablaufdatum Von Frank Patalong
Den Kunden wird Software für das Digital Rights Management meist als "Kopierschutz" verkauft. Doch DRM ist weit mehr als das, wie die Aufregung um das Microsoft-Produkt "Playsforsure" zeigt: Es stellt sicher, dass gekaufte Musik den Kunden nie wirklich gehört.
Vinyl war schon eine feine Sache: Die klassische Schallplatte ist für viele bis heute ein geliebtes Sammlerobjekt. Gut und schonend behandelt gibt sie ihre musikalischen Schätze auch noch wieder, wenn sie seit 1948 im Regal steht - unwahrscheinlich, dass man über CDs oder Musikdateien einmal etwas Ähnliches wird sagen können.
Denn der CD traut man eine Lebensdauer von allenfalls drei Jahrzehnten zu, bis sich die Beschichtung verabschiedet - manche schaffen das weit schneller. In der Welt digitaler Güter ist selbst das noch gut. Denn nichts ist potentiell flüchtiger als ein Dateiformat: Davon haben wir in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge kommen und gehen sehen - teils inklusive der Trägermedien, die für sie entwickelt wurden.
Alles kein Problem, solange man die gespeicherten Informationen von A nach B portiert bekommt. Das aber, dokumentierte Microsoft in dieser Woche, ist noch nicht einmal gewährleistet, wenn man für die fraglichen Dateien bezahlt hat und sie für seinen eigenen Besitz hielt. Dass Microsoft in dieser Woche bekanntgab, ab dem 31. August 2008 das DRM-System Playsforsure nicht weiter unterstützen zu wollen, klingt so profan wie abstrakt.
Doch im Klartext bedeutet es: Alle Musik, die man einmal bei msn music gekauft hat und die mit diesem DRM geschützt ist, wird man nur noch so lange spielen können, wie der alte Rechner, auf dem sie gespeichert ist, noch läuft. Danach erlischt die gekaufte Musik, denn auf einen neuen Rechner übertragen kann man sie nicht mehr. Ein schlechter Witz?
Bitter, aber eigentlich nicht ungewöhnlich
Nein, eigentlich ist das sogar ganz normal. Es ist allerdings eine Kröte, die man erst einmal schlucken muss. Aus Microsofts Perspektive verabschiedet sich die Firma nur von einer Software, die sie seit 2006 schon nicht mehr anbietet. Nach nur zwei kurzen Jahren gab Microsoft den ziemlich verzweifelten, weil weitgehend erfolglosen Versuch, Apples iTunes-Shop unter der Marke "msn music" Konkurrenz zu machen, kleinlaut wieder auf. Die Zahl der Geschädigten dürfte auch darum gering sein.
Doch darum geht es nicht. Der Vorgang dokumentiert, wie flüchtig die "Lizenzierung" von digitalen Waren ausfallen kann, die an Stelle des klassischen Kaufes getreten ist. Denn wir alle kaufen unsere Musik, unsere Filme nicht mehr, wir erwerben Lizenzen zur Nutzung von Dateien in bestimmten Nutzungskontexten.
Das war eigentlich immer so. Auch zu Vinyl-Zeiten erwarben wir nicht die Musik, sondern den Tonträger. War der zerkratzt oder anderweitig beschädigt, gab es natürlich keinen Ersatz - man musste die Scheibe noch einmal kaufen. Das Gleiche gilt für all die Datenträger, die da kamen und gingen - vom Video-2000-Band über die Laserdisc bis hin zur HD-DVD (mehr...).
Auch eine Datei ist eine Art Container für Inhalte, ein virtueller Datenträger. Scheitert ein Format, tragen wir als Kunden das Geschäftsrisiko des Anbieters mit. Weil msn music bereits 2006 über den Jordan ging, "stirbt" in den nächsten Jahren auch alle dort gekaufte Musik. Prinzipiell kann das mit allen digitalen Waren geschehen, die mit proprietärer Software geschützt oder verbunden werden.
Ein fairer Umgang mit Kunden sieht anders aus
Wie gesagt: Unnormal ist das nicht - nur hochgradig unfair. Denn der große Unterschied zwischen früher und heute ist offensichtlich die Nutzungsdauer, die wir mit dem "Kauf", der in Wahrheit eine Lizenzierung ist, erwerben. Und natürlich hat es von Seiten der Musikindustrie wie des Handels genügend Versicherungen gegeben, auch die Datei sei eine Ware, auf die man sich verlassen könne, als es darum ging, sie am Markt durchzusetzen.
Deshalb ist der Vorgang um Microsofts DRM eine Steilvorlage für die Befürworter offener Standard-Dateiformate und für den absoluten Verzicht auf DRM. Dass der mittelfristig kommt, scheint mittlerweile klar: Die ach so wichtigen Schutzmechanismen führten zu nichts als Kundenfrustration, was inzwischen sogar die großen Musikfirmen begriffen haben.
Mittelfristig wird DRM aus dem Handel mit Gütern wie Musik und Filmen völlig verschwinden müssen, und das ist gut so, wie der Fall des nun so widersinnig "Playsforsure" ("Spielt mit Sicherheit") benannten Microsoft-DRM zeigt. Ein konsequenter Dienst am Kunden wäre es, wenn Microsoft seinen Käufern nun zumindest die Portierung der mit Playsforsure vor weiterem Gebrauch geschützten Waren in ein anderes Format erlauben würde. Das aber könnten die Lizenzbestimmungen verhindern, unter denen Microsoft die Musik zum Weiterverkauf erwarb.
Stattdessen - auch das ein Stück Realsatire - verweist Microsoft auf die Möglichkeit, die Musik erst auf CD zu brennen und sie dann zu rippen, um den Kopierschutz zu umgehen. Nach deutschem Recht, das auch dank nicht unerheblichen Lobby-Drucks seitens der Industrie gerade erst novelliert wurde, ist das verboten.
Aus Kundenperspektive ist all das ein Irrwitz. Wer etwas kauft, will es nutzen und zumindest das Gefühl haben, es zu besitzen. Jeder Kunde akzeptiert, dass eine Beschädigung der Ware zum Ende der Nutzung führt. Dass aber eine Beschädigung des Anbieters zum Tod der Ware führt, ist niemandem mehr zu vermitteln. Die Industrie wäre gut beraten, auf solche Kundenfallen künftig völlig zu verzichten. Freie, in jedes denkbare neue Format portierbare Musikdateien, liegen schließlich nur einen Klick entfernt - in Form von Raubkopien in jeder illegalen P2P-Börse.
DRM, dokumentierte Microsoft in dieser Woche eindrucksvoll, beraubt dagegen am Ende den Kunden. |
Quelle: spiegel.de |